Glossar zum Gesundheitszentrum
Fachbegriffe und Stichwörter
In den Bemühungen, in Spaichingen eine verbesserte medizinische Versorgung zu erreichen, sind viele Hürden mit speziellen Fachbegriffen beschrieben. Unser Glossar möchte Ihnen diese erläutern.
Krankenhaus-Struktur-Reform 2023
Unser bisheriges System der medizinischen Behandlung in „Sektoren“ (ambulant / stationär) und der Bezahlung von Krankenhausleistungen nach Behandlungsgruppen (DRG) ist ein Irrweg und hat zu großen Problemen geführt. Das System soll gründlich reformiert werden. Vorschläge einer Regierungskommission sollen nun in die Gesetzgebung einfließen. Diese bedeuten dann auch wichtige Weichenstellungen für unseren Landkreis.
Die Behandlung von Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern unter ökonomischen Kriterien soll künftig ersetzt werden. Dafür sollen die Kliniken nach drei neuen Kriterien honoriert werden: Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen und Leistungsgruppen. Das Fallpauschalen-System (DRG) müsse entsprechend weiterentwickelt werden.
Zur Struktur der Versorgung sind drei unterschiedliche Versorgungsstufen geplant. Level 1 soll nochmals in Level 1i und Level 1n unterteilt werden, je nachdem, ob eine Notfallversorgung über 24 Stunden jeden Tag vorgehalten ist (Level 1n). Dafür sind eventuell pflegerisch geleitete Bettenstrukturen mit ärztlichem Bereitschaftsdienst vorgesehen, Krankenhäuser des bisherigen Zuschnitts sind den Levels 2 und 3 zugeordnet, je nachdem, ob sie Maximalversorgung anbieten können. Insgesamt aber soll die Zahl der Krankenhäuser stark verringert werden.
Da die Reform damit stark in die Länderhoheit eingreift, gibt es dazu noch große Kontroversen und Beratungsbedarf.
Spaichingen wäre in Level 1i anzusiedeln und bekäme dann endlich den gesetzlichen Hintergrund für die bisher noch fehlende Vergütungsregelung.
Medizinisch-pflegerisches Zentrum
Bei der Beurteilung des Gebäudezustands der Klinik für den geplanten Umbau stellte sich heraus, dass nur eine Renovierung des Bettenhaus-Teils wirtschaftlich vertretbar ist. Der übrige Gebäudeteil wird abgerissen und vorher durch ein neues Gebäude mit einem auf die speziellen Anforderungen angepassten Zuschnitt ersetzt werden. Dieses geplante neue Gebäude erhielt die Bezeichnung „Medizinisch-pflegerisches Zentrum“ und wird u.a. das ambulante Operationszentrum (ZAO), Praxen etc. enthalten. Die Baufinanzierung ist über ein Investorenmodell geplant.
Erweiterte ambulante Versorgung
Ein großes Hindernis in unserem Gesundheitssystem sind die „Sektorengrenzen“ zwischen ambulanter und stationärer Krankenversorgung durch gesetzliche Krankenkassen. So ist eine ambulante Versorgung durch Krankenhausärzte nur ausnahmsweise im Rahmen einer so genannten „Ermächtigung“ zulässig. Das bedeutet, dass ein Krankenhausarzt für jede ambulanten Behandlung gesetzlich Versicherter eine spezielle Genehmigung braucht. Umgekehrt dürfen ambulant arbeitende Ärzte Leistungen im stationären Bereich nur im Rahmen eines „Konsils“, d.h. nur im Rahmen eines ganz gezielten Auftrags erbringen.
Das Modell einer EAV dagegen soll als eine „neue Versorgungsform“ die Sektorengrenzen öffnen. Nach der Schließung kleiner Krankenhäuser sollen diese in dem Modell EAV weiter bzw. wieder Patientinnen und Patienten von niedergelassenen Fachärzten und am IGZ (intersektoralen Gesundheitszentrum, s. u.) arbeitenden Pflegekräften und eventuell weiteren Gesundheitsfachkräften bis zu 5 Tage lang betreuen können.
Kommentar: Ein Haken ist allerdings an diesem seit Jahren von verschiedenen Institutionen propagierte Modell dran: Es gibt es noch nirgends! Ein Vertrag mit den Krankenkassen steht für Spaichingen auch nach 1 ½ Jahren zäher Verhandlungen und trotz „Rückenwind“ durch die Landesregierung noch aus!
Es besteht nun die Hoffnung, dass Spaichingen im Rahmen der bevorstehenden Krankenhaus-Strukturreform den Status „Level 1 i“ erhält. Damit kämen auch die entsprechenden Verträge entsprechend den dann geänderten gesetzlichen Regelungen.
Intersektorales Gesundheitszentrum (IGZ)
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat 2018 den Vorschlag gemacht, kleine, Krankenhäuser in sogenannte Intersektorale Gesundheitszentren (IGZ) umzuwandeln. Das IGZ würde demnach eine allgemeinmedizinische, internistische sowie chirurgische Grundversorgung anbieten, die bei Bedarf erweitert werden kann, etwa durch Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten, zum Beispiel im Bereich des ambulanten Operierens. Die Intersektoralen Gesundheitszentren sollen im ambulanten Sektor angesiedelt sein, jedoch soll ihr Angebot über klassische ambulante Leistungen hinausgehen. Denn im Rahmen einer erweiterten ambulanten Versorgung (EAV, s.o.) sollen die IGZ-Zentren auch über Bettenabteilungen verfügen, in denen Patienten bei Bedarf über Nacht bleiben können. Das Konzept der EAV sieht vor, dass Patienten für maximal fünf Tage eine pflegerische Rund-um-die-Uhr-Betreuung erhalten. Ärzte wären immer vor Ort, allerdings außerhalb der Sprechzeiten in Rufbereitschaft.
(Literatur: Dtsch Arztebl 2018; 115(42): A-1847 / B-1549 / C-1535)
Kassenärztliche Vereinigung
Die KV ist der Zusammenschluss der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. Sie vertritt deren Positionen nach außen und hat als Körperschaft des öffentlichen Rechts den Auftrag, die ambulante Versorgung sicher zu stellen. In ihrem Leitbild geht sie in ihrem Anspruch noch weiter: „Wir gestalten und sichern die medizinische Versorgung der Menschen in Baden-Württemberg“ Damit erhebt sie auch den Anspruch einer umfassenden, auch die „nichtambulanten Bereiche“ betreffenden, Einflussnahme. Sie bestimmt weitgehend über die Erlaubnis und den Umfang der ambulanten Leistungserbringung (Stichwort: Ermächtigung) von Kliniken, Klinikärzten und Medizinischen Versorgungszentren.
Sozialministerium
Die Krankenhausplanung ist ein Teil der vielen wichtigen Aufgaben des Sozialministeriums. Die Krankenhäuser werden bekanntlich in unterschiedlicher Trägerschaft betrieben (kommunal: Städte oder Kreise, kirchlich oder privat). Nur die Betriebskosten (Personal, Sachkosten) werden im Rahmen einer „dualen Finanzierung“ von den Krankenkassen über die Erlöse aus den stationären Behandlungen finanziert. Den Ländern in unserer föderalen Struktur in Deutschland obliegt die Finanzierung der Klinikstrukturen. Die dafür zur Verfügung gestellten Mittel decken jedoch bei Weitem nicht den bedarf. Somit bleiben der Politik zur Steuerung der Klinikstrukturen die Zuschüsse zum Krankenhausbau und Qualitätsvorgaben. Eigentlich sollten alle Kosten für den Krankenhausbau vom Land getragen werden. Tatsächlich ist dies nur ein Teil. Der Rest muss von den Krankenhausträgern aufgebracht werden.
Firma Oberender AG
Unternehmensberatung, welche 2018 in einem Gutachten für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) das Modell der IGZ als „innovatives Modell der erweiterten ambulanten Versorgung zur Transformation kleiner ländlicher Krankenhausstandorte“ (https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:703-epub-3852-8) vorgeschlagen hat. Der Kreistag hat am 24.10.2019 entschieden, entsprechend einem Gutachten der Firma Oberender den Klinikstandort Spaichingen nach Tuttlingen zu verlagern und ein IGZ am Standort zu gründen.
Firma DIOMEDES
Mit der Umsetzung des Kreistagsbeschlusses vom 24.10.2019 beauftragtes Beratungsunternehmen. Damit beauftragt vor Ort ist Herr Michael Osypka. Er hat ein Büro im Gesundheitszentrum Spaichingen.
„Gesetzte Punkte“
Der Kreistag hat beschlossen, nach der Verlagerung der Klinikstrukturen von Spaichingen nach Tuttlingen, bestimmte Angebote in Spaichingen zu belassen bzw. aufzubauen. Das sind:
- Die EAV (erweiterte ambulante Versorgung) mit IGZ
- Eine solitäre Kurzzeitpflege
- Das bereits vorhandene Zentrum für ambulante Operationen (ZAO)
- Die Gewinnung der für die EAV erforderlichen Fachärzte
Dafür ist die Firma DIOMEDES (s.o.) beauftragt, vor Ort vertreten durch Herrn Michael Osypka.
Pflegehotel
Es ist geplant und vertraglich geregelt, dass die Firma „Pflegehotel Willingen“ (https://www.pflegehotel-willingen.de/) die „gesetzte Aufgabe“ übernimmt, eine solitäre Kurzzeitpflege am Standort des Gesundheitszentrums Spaichingen aufzubauen. Geplant ist ein umfassendes Angebot: Eine „Therapie Plus“ wie im Kneippheilbad Willingen soll aus Tages- und Kurzzeitpflege sowie Therapie und Rehabilitation bestehen. Zudem ist beabsichtigt, gesunden Urlaub für pflegende Angehörige anzubieten. Es sollen somit Wellness und medizinische Therapie- und Trainingsmöglichkeiten bei der Pflege miteinander verbunden werden. https://www.gesundheitszentrum-spaichingen.de/kurzzeitpflege/
Mit einem solchen umfassenden Angebot könne es gelingen, die wirtschaftlichen und organisatorischen Schwierigkeiten zu lösen, welche bei einer solitären Kurzzeitpflege allein bestehen. Zumindest ist dies offenbar in Willingen gelungen. Das für die Bauten erforderliche Grundstück auf dem „Campus“ ist inzwischen an den künftigen Träger verkauft. Die Schritte bis zur Fertigstellung werden allerdings noch lange Zeit benötigen. Geplant ist auch, dass die Organisation der Pflege im Rahmen der EAV (s.o.) vom Pflegehotel übernommen wird.
Tagespflege
Bei dieser Form der pflegerischen Betreuung kommt die pflegebedürftige Person am Morgen in die Pflege-Einrichtung, bleibt dort tagsüber und wird spätnachmittags wieder in häusliche Pflege abgeholt. Diese Form der Betreuung steht somit zwischen der häuslichen / ambulanten und der stationären Pflege. Tagesgäste wie Pflegende profitieren davon: Einerseits ermöglicht sie Entlastung der Pflegenden tagsüber diesen, ihren Bedürfnissen, Beschäftigungen oder ihren beruflichen Verpflichtungen nachzukommen. Andererseits werden in der Tagespflege regelmäßig Beschäftigungen wie Unterhaltung, Gymnastik, Kochen und Backen, kreatives Gestalten, hauswirtschaftliche Tätigkeiten oder auch Ausflüge, Konzerte oder Feste im Haus oder auch Spaziergänge angeboten. Solche Angebote fördern die Kommunikation, körperliche und geistige Stabilität sowie auch die Selbständigkeit und die Alltagstauglichkeit der Tagesgäste.
Bürgerdialog
Allgemeines: Der Begriff „Bürgerdialog“ ist ein positiv besetzter Begriff aus dem Sprachgebrauch der Demokratie, ein so genanntes „Fahnenwort“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Fahnenwort). Wie andere derartige Begriffe ist auch dieser Begriff nicht klar und eindeutig festgelegt (definiert). Mit „Bürgerdialog werden nach Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Bürgerdialog) „verschiedenste Gespräche mit Bürgern bezeichnet, die die verschiedensten öffentlichen und privaten Institutionen veranstalten – in den Kommunen, Städten, Regionen, Ländern, auf Bundesebene, in der EU“. Bei den Bürgerdialogen beschäftigen sich zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger wie auch Interessierte mit (…) gesammelten Themenfeldern. Baden-Württemberg (https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/mitmachen/lp-16/gesetz-ueber-die-dialogische-buergerbeteiligung/) definiert die dialogische Bürgerbeteiligung als eine öffentliche Aufgabe, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt. Ein Gesetz gibt den Behörden Hilfestellungen für die dialogische Bürgerbeteiligung.
Spezielles: Im Fall des hier in Spaichingen stattgefundenen Bürgerdialogs beschäftigte sich die Dialoggruppe unter der Organisation der Firma Translake (Konstanz) mit den Grundlagen zur Weiterentwicklung des Gesundheitscampus und der zentralen Fragestellung „Wie füllen wir den Gesundheitscampus (neben den „gesetzten“) mit zukunftsfähigen Angeboten?“. Die Dialoggruppe setzte sich zu einer Hälfte aus Vertreterinnen und Vertreter von Organisationen aus der Raumschaft Spaichingen und zur anderen Hälfte aus zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern zusammen. Insgesamt bestand die Gruppe aus 70 Personen. Die Ergebnisse der drei Dialog-Veranstaltungen wurden von der Stadt Spaichingen, deren Stadtrat und dem Landkreis ausgewertet / bewertet und aufbereitet.
Literatur: https://www.translake.org/post/gesundheitszentrum-spaichingen